WENN EINER EINE REISE TUT
Schon wenn man eine Reise plant, sollte man es gründlich tun.
Was aber, wenn in dem -, sich bunt schillernd anpreisenden -, Reiseführer etwas falsch angegeben, etwas verwechselt und verdreht wurde?
Dann beharrt etwa der Tourist in Rom dem einheimischen Reiseleiter gegenüber darauf, den Schiefen Turm besichtigen zu wollen. Und wenn dieser sagt, es gäbe zwar vieles, das schief läuft in Rom, der Schiefe Turm stünde aber in Pisa, was antwortet der Tourist ihm dann? Er ist ärgerlich und beharrt darauf, dass sein Reiseführer recht hat.
„Ihr Italiener seid doch sonst nicht so genau!“
„Okay“, sagt der gewiefte Fremdenguide. „Ich zeig´ Ihnen den Turm.“ Um seinen Trick anwenden zu können, fügt er hinzu, „aber es ist ziemlich gefährlich!“,…… seine Illusionen zu verlieren, vollendet er im Stillen seinen Satz. Prompt fällt der Tourist darauf rein. Er fragt nicht nach der Art der Gefahr, somit auch nicht nach einer Möglichkeit, sie zu bewältigen.
„Gibt es denn keine ungefährliche Tour zum Turm?“
„Ja, die ist aber teurer!“
Der Tourist willigt ein. „Ich nehm´ natürlich die ungefährliche Tour!“
Nach zwei Stunden im Kreisverkehr wird der Tourist ungeduldig. „Wo ist er denn endlich, der Turm?“
„Hab´ ich doch gesagt“, meint der Fremdenführer. „Das ist die ungefähr-liche Tour. Die führt nur ungefähr bis zum Turm!“
So kommen mir die meisten Menschen heute wie dieser Reisende vor, wenn es um ihren Glauben geht. Sie haben den falschen Reiseführer, sie wenden sich dauernd an die falsche Adresse. Sie sind unbelehrbar, wenn sie korrigiert werden sollen. Sie suchen Dinge am falschen Ort. Sie wollen kein Risiko eingehen, was heißt, nix von ihren Vorstellungen aufgeben. Sie sind andrerseits für – null Ergebnis – bereit, viel zu zahlen. Kein Wunder, dass ihnen eilfertig „ungefähr“ schiefe Türme, wo immer sie diese in ihrer Verbohrtheit auch ansiedeln mögen, entgegenkommen. Die Tourismusbranche gehört schließlich der am meisten lernbereiten, trickreichsten, wandelfähigsten Berufsgruppe an.
Dabei kann die Reise lang werden. Lang, länger, am längsten – und zahlt sich dennoch nie aus. Wie sagt der Astronaut? – Zehn Zentimeter am Mond vorbei ist auch daneben. Da mag in die Vorbereitung alles investiert worden sein; da mag die Ausrüstung stimmen. Es bleibt dabei: wenn falsch angepeilt wird, bleibt es was Halbes und wird daraus auch nichts Ganzes.
Warum verpeilen sich so viele?
Weil sie keinen unverrückbaren Maßstab haben. Sie lassen sich mit Halbwahrheiten abspeisen. Sie nehmen alles nicht so genau. Der Teufel weiß abergenau, was er anwenden, was er weglassen, was er hinzufügen muss, damit ein Mohnstrudel wie Kirschtorte wirkt. Das ist sein weidlich ausgenutzter Trumpf: Menschen schielen immer nach dem Nachbarn, gleichen sich an, wollen bloß nicht als dogmatisch gelten. Sie willigen nur zu gerne ein, dass alles relativ sei. Dabei, mag man es dreh´n und wenden: Eine Kirsche, die allein auf dem Mohnstrudel prangt, macht nun mal keine Kirschtorte aus.
Die meisten wollen aus der permanenten Schräglage gar nicht herauskommen. Sie bringt, wo man geht und steht, Belohnungen und seien es auch nur Versprechen, Hoffnungen, Sehnsüchte und Illusionen, ein. Um die Scheinwelt aufrecht zu erhalten, lässt man sich gerne täglich auf´s Neue „schief wickeln“. Solange man „normal“ am Schiefen Turm bemisst, klappt das augenscheinlich ganz wunderbar. Nur: Wie hält man das aus -, nie anzukommen? „Wer ankommt, hat nichts mehr vom Leben“,so lautet der unterschwellige Slogan der Masse. Aber, so lautet die GUTE NACHRICHT, es ist nicht unmöglich, diesem Gewinn-rünstigen Puls der Zeit zu widerstehen:
Zum Glück ist doch ab und an ein Reiseleiter dabei, der drückt dem verirrten Reisenden einen, für immer gültigen, unfehlbaren, unverrückbaren Maßstab in die Hand.
Da sitzt er nun, gütig-streng geradegerückt, auf einem Bänkchen in Pisa gegenüber dem Schiefen Turm und kann sich gar nicht sattsehen -, die Brille auf der Nase, die Bibel vor Augen. Hätte er das alles gewusst und befolgt, was da drin steht, er hätte den HEILIGEN GEIST als Führer gehabt.
„Dann wäre ich gleich in Pisa gelandet; nicht in Rom.“
Endlich ist er angekommen.